Viele Unternehmen im Mittelstand wollen mit Künstlicher Intelligenz starten – aber wie?
Mit dem Whitepaper „Künstliche Intelligenz im Mittelstand – Praxisleitfaden für erfolgreiche KI-Projekte“ gibt das KI-Innovation Lab eine praxisnahe Hilfestellung. Im Interview erklärt Mit-Autorin Isabel Ernst, warum der erste Schritt keine fertige Lösung sein muss – sondern oftmals ein gutes Gespräch ist. Und weshalb es interne Brückenbauer:innen braucht, damit KI nicht nur gedacht, sondern gemacht wird.
Isabel Ernst im Interview:
Isabel Ernst
Projektleiterin KI-Innovation Lab | CyberForum
Frau Ernst, was war der konkrete Auslöser für die Erstellung des Whitepapers? Welche Lücke wollten Sie mit diesem Leitfaden schließen?
Viele mittelständische Unternehmen möchten mit KI-Anwendungen und -initiativen in ihrem Unternehmen starten, wissen aber nicht genau, wo sie beginnen sollen. Genau da wollten wir ansetzen: Der Leitfaden soll Orientierung schaffen, ohne zu überfordern. Damit überbrücken wir eine Lücke zwischen technischen Whitepapern, die ohne Vorkenntnisse kaum zugänglich sind und wenig konkrete Anhaltspunkte für die Umsetzung liefern. Stattdessen bietet unser Whitepaper eine praxisnahe Orientierungshilfe für kleine und mittlere Unternehmen.
An wen richtet sich der Leitfaden – und mit welcher Intention?
Unser Ziel war es, vor allem Entscheider:innen, Digitalverantwortliche und Innovationsbeauftragte aus kleinen und mittleren Unternehmen anzusprechen. Der Leitfaden soll ihnen helfen, Potenziale zu erkennen, Mitarbeitende einzubinden und realistische erste Schritte zu planen.
Welche Erfahrungen aus dem Alltag des KI-Innovation Lab sind direkt in das Papier eingeflossen?
Sehr viele. Wir arbeiten täglich mit Unternehmen, die ganz unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen. Der “KI-Innovation Circle”, wie wir ihn im Whitepaper aufbauen, basiert auf typischen Projektverläufen unserer Kunden.
Erzählen Sie uns doch bitte mehr über den KI-Innovation Circle. Was ist die Idee dahinter?
Der KI Innovation Circle beschreibt sechs Phasen, die sich in der Praxis als hilfreich erwiesen haben: von der ersten Orientierung bis zur Skalierung von KI-Anwendungen. Er soll Unternehmen helfen, ein KI-Projekt nicht als einmalige technische Maßnahme zu sehen, sondern als strategischen Lernprozess. Wichtig war uns dabei, dass Unternehmen nicht bei Phase 1 beginnen müssen. Der Circle ist deshalb so aufgebaut, dass man jederzeit einsteigen oder gezielt an der passenden Stelle andocken kann.
Welche der sechs Phasen wird von Unternehmen Ihrer Erfahrung nach am häufigsten unterschätzt – und warum?
Tatsächlich lässt sich das nicht pauschal beantworten, denn jede Phase bringt ihre eigenen Stolperfallen mit sich. Was wir aber häufig beobachten, sind Hindernisse in der Ideation-Phase und der Skalierung nach dem ersten Proof of Concept.
In der Ideation-Phase geht es darum, geeignete Use Cases zu identifizieren. Was oft als kreatives Brainstorming beginnt, endet nicht selten in Unsicherheit: Welche Idee ist machbar, bringt echten Mehrwert und lässt sich intern wirklich umsetzen? Viele Unternehmen tun sich schwer, aus der Vielzahl an Möglichkeiten eine fundierte Auswahl zu treffen.
Die Skalierungsphase wirkt auf den ersten Blick wie ein technischer Anschluss, ist aber oft die strategischste Hürde. Ein Proof of Concept ist in einer Testumgebung, mit begrenztem Umfang schnell realisiert. Doch danach stellen sich grundlegende Fragen: Wer übernimmt Verantwortung für den Rollout? Wie wird er in bestehende Prozesse und Systeme integriert? Und wo kommt das Budget her? Wenn diese Fragen nicht frühzeitig adressiert werden, scheitert die Umsetzung oft nicht an der Technik, sondern an fehlenden Entscheidungen.
Gab es während der Erstellung des Leitfadens überraschende Erkenntnisse oder wiederkehrende Muster, die Ihnen besonders aufgefallen sind?
Eine der zentralen Erkenntnisse war, wie entscheidend interne Treiber:innen für den Erfolg von KI-Projekten sind. In fast jedem Vorhaben, das tatsächlich in die Umsetzung ging, gab es jemanden im Unternehmen, der das Thema mit Überzeugung vorangetrieben hat und das ganz unabhängig von der Hierarchieebene. Der Leitfaden soll genau diesen Personen helfen, Argumente zu sammeln, Strukturen zu schaffen und das Thema im Unternehmen wirksam zu platzieren.
Welchen Irrtum rund um das Thema „KI im Mittelstand“ möchten Sie mit diesem Whitepaper gerne ein für alle Mal ausräumen?
Ein häufiger Irrtum ist, dass kleine und mittlere Unternehmen erst einmal abwarten sollten. Jede Branche, jedes Unternehmen und jeder Prozess ist anders. Deshalb sollten auch KMU schon heute mit ihren eigenen Fragestellungen und im eigenen Tempo anfangen.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Voraussetzungen, damit ein KI-Projekt in einem kleinen oder mittleren Unternehmen gelingt?
Erstens eine klare Strategie, und damit meinen wir kein umfangreiches Thesenpapier, sondern einen realistischen Rahmen: Wo soll es hingehen, welches Problem wollen wir lösen, welches Budget steht zur Verfügung und steht die Geschäftsführung dahinter? Zweitens braucht es einen internen Treiber, der das Thema aktiv voranbringt. Diese „Brückenbauer:innen“ sind oft der entscheidende Erfolgsfaktor. Und Drittens: Mitarbeitende von Anfang an mitnehmen. KI verändert Prozesse, Rollen und Arbeitsweisen. Wer frühzeitig informiert, Ängste ernst nimmt und gemeinsam an Lösungen arbeitet, legt den Grundstein für Akzeptanz und Umsetzungserfolg.
Wie lassen sich Mitarbeitende auf diesem Weg gut mitnehmen – auch über technische Fragestellungen hinaus?
Für erfolgreiche KI-Projekte ist es wichtig, Mitarbeitende nicht nur zu informieren, sondern aktiv einzubinden. Das beginnt schon in der Ideation-Phase: Viele Unternehmen haben gute Erfahrungen damit gemacht, interne KI-Arbeitskreise zu gründen. Gleichzeitig braucht es Raum für Wissen und Austausch, etwa durch interne Schulungen, Learning Lunches oder Awareness-Formate.
Welche Rolle spielt das KI-Innovation Lab künftig in der Umsetzung von KI-Projekten – gerade im Kontext der KI-Allianz Baden-Württemberg?
Wir sehen uns als Sparringspartner für den Mittelstand und “Brückenbauer” zu Technologieanbietern und -dienstleistern. Über die KI-Allianz sind wir zudem Teil eines starken Ökosystems, das Unternehmen Zugang zu Know-how, Partnern und Förderangeboten ermöglicht. Unsere Rolle ist es, den Einstieg so praxisnah wie möglich zu gestalten und sie mit den passenden Angeboten und Partnern zu vernetzen.
Wenn Sie drei Begriffe nennen müssten, die das Whitepaper auf den Punkt bringen – welche wären das?
Struktur, weil ein klarer Fahrplan Sicherheit schafft. Relevanz, weil jedes Unternehmen seinen eigenen Weg zur KI finden muss. Verantwortung, weil KI kein IT-Projekt ist, sondern ein strategisches Thema.
Sie wollen direkt einsteigen und mehr erfahren?
Dann laden Sie unter folgendem Link das neue, kostenfreie Whitepaper des KI-Innovation Labs herunter:
Über Isabel Ernst
Isabel Ernst ist Projektleiterin des KI-Innovation Lab des CyberForums, einem Teilprojekt der KI-Allianz. Dort begleitet sie mittelständische Unternehmen auf dem Weg zu praxisnahen KI-Anwendungen. Durch ihre Erfahrung als ehemalige Start-up-Gründerin und vorheriger Tätigkeiten im Innovation Management und Business Development vereint sie unterschiedliche Blickwinkel auf Innovation und digitale Geschäftsmodelle. Ihr Fokus liegt darauf, Innovationspotenziale zu identifizieren, strategisch weiterzuentwickeln und in tragfähige Geschäftsmodelle zu überführen.