KI und Social Media: Christina D’Ilio im Interview

Künstliche Intelligenz revolutioniert Social Media – und 2025 sind wir mittendrin. Von LinkedIn-Texten über Instagram-Videos bis hin zu Wahlwerbung auf TikTok – KI-generierter Content ist allgegenwärtig und verändert, wie wir kommunizieren, konsumieren und interagieren. Doch wer profitiert wirklich davon? Welche ethischen Herausforderungen bringt das mit sich? Und wie sieht die Zukunft sozialer Netzwerke aus?

Christina D’Ilio von den netzstrategen in Karlsruhe gibt aktuelle, spannende Einblicke. Sie spricht über die Gewinner der KI-Revolution, den verantwortungsvollen Umgang mit KI-Inhalten und ihre Vision für die Zukunft von Social Media.

Christina D’Ilio, Geschäftsführerin bei der netzstrategen GmbH

Christina D’Ilio im Interview:

Christina D’Ilio
Geschäftsführerin | netzstrategen

Frau D’Ilio, Sie sind bei den netzstrategen für die Entwicklung digitaler Strategien verantwortlich und haben entsprechend viele Berührungspunkte mit den Themen Social Media und Künstlicher Intelligenz. Wie ist ihr Blick darauf?

Wahrscheinlich etwas anders, als man denken würde. Mein beruflicher Hintergrund ist nämlich nicht der klassische aus der IT oder Betriebswirtschaft – ich bin Diplom-Soziologin. Dadurch betrachte ich technologischen Fortschritt nicht nur aus einer wirtschaftlichen oder technischen Perspektive, sondern auch mit Blick auf die gesellschaftlichen Auswirkungen. Gerade in der Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz finde ich diesen Ansatz besonders spannend.

Künstliche Intelligenz ist schon längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern begleitet uns nun schon seit mehreren Jahren – mehr oder weniger – im Alltag. Erinnern Sie sich an das erste Mal, als Sie KI für LinkedIn und Co. genutzt haben?

Ja, daran erinnere ich mich noch sehr gut. Es muss um den Jahreswechsel 2022/23 gewesen sein, als ich das erste Mal versucht habe, einen Beitrag für LinkedIn mit KI zu erstellen. Ich war überrascht, wie gut bereits das erste Ergebnis war, das ich von der KI (damals ChatGPT 3.5) bekommen habe.

Rijul Gupta, Gründer von DeepMedia, stellt die These auf, dass in wenigen Jahren nahezu alles, was wir auf Social Media sehen, künstlich erzeugt sein wird. Wie stehen Sie dazu?

Ich halte diese These für realistisch. Allerdings ist es aus meiner Sicht nicht entscheidend, ob ein Inhalt künstlich oder menschlich erzeugt wurde – sondern ob er qualitativ hochwertig ist. Ein guter Beitrag informiert, unterhält oder bewegt mich – unabhängig davon, ob er von einem Menschen oder einer KI stammt. Wichtig ist, dass er keine Unwahrheiten enthält und gut geschrieben ist. Wenn diese Kriterien erfüllt sind, spielt der Ursprung des Contents eine eher untergeordnete Rolle.

Gibt es Branchen oder Bereiche, die besonders stark von KI in Social Media profitieren können?

Jeder, der Inhalte für Social Media erstellt, kann von KI-gestützten Anwendungen profitieren. Entscheidend ist dabei weniger die Branche, sondern vielmehr die Menge und Vielfalt der produzierten Beiträge. Je umfangreicher und facettenreicher der Content ist, desto größer sind die Vorteile, die durch den Einsatz von KI erzielt werden können. Auch im B2B-Sektor bietet KI enormes Potenzial: Ein Softwareunternehmen, das regelmäßig Webinare oder Whitepapers veröffentlicht, kann mit KI automatisch LinkedIn-Posts aus den wichtigsten Key Takeaways generieren, E-Mail-Newsletter personalisieren oder mit Chatbots potenzielle Kundenanfragen direkt in Social Media vorqualifizieren. Dadurch lassen sich Marketing- und Vertriebsprozesse effizienter gestalten und Leads gezielter ansprechen.

Wie können Unternehmen eine verantwortungsbewusste KI-Nutzung in ihren Social-Media-Strategien sicherstellen?

Bei einer verantwortungsbewussten KI-Nutzung muss man sich zunächst die verschiedenen Nutzungsebenen bewusst machen. Unternehmen sollten sowohl bei den Inhalten, die sie der KI zur Verfügung stellen, als auch bei den generierten Ergebnissen besonders achtsam sein.

Für die Eingabe gilt: Alles, was für eine Publikation (Social Media, Website, Katalog etc.) vorgesehen ist, kann auch einer KI zur Verfügung gestellt werden. Denn früher oder später wird sie ohnehin auf diese Daten stoßen. Daten, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, sollten hingegen niemals einer KI bereitgestellt werden – insbesondere personenbezogene Informationen. Viele KI-Systeme nutzen Trainingsdaten weiter, sodass sie – zumindest theoretisch – für andere abrufbar sein können.

Für die generierten Inhalte gilt: Alle Behauptungen der KI müssen kritisch hinterfragt werden. Gibt es das Zitat tatsächlich, das mir die KI vorschlägt? Stimmen Jahreszahlen und Zusammenhänge? Ohne spezifische Anweisungen in den Prompts können KI-Tools „halluzinieren“, also erfundene Informationen liefern, nur um den Auftrag zu erfüllen.

„Fest steht: KI wird die Art und Weise, wie wir mit Marken und Persönlichkeiten interagieren, nachhaltig verändern." - Christina D’Ilio

Automatisierte Inhalte und KI-generierte Texte: Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass Social Media an Authentizität verliert?

Die Gefahr ist auf jeden Fall gegeben. Wenn ich meinen LinkedIn-Feed öffne, erkenne ich viele KI-generierte Posts. Sie sind oft sehr generisch und folgen denselben sprachlichen Mustern. Es wimmelt von Phrasen wie “spannende Reise”, “faszinierende Einblicke” oder “in der heutigen schnelllebigen Welt…”. Doch nicht die Technologie ist schuld an dieser Entwicklung, sondern die Art und Weise, wie wir sie nutzen. Mit präzisen Vorgaben, die auf Individualisierung der Texte abzielen, bekomme ich sehr hochwertige Ergebnisse, die sich von der Masse abheben. Dafür braucht es entweder fundierte Prompt-Kenntnisse oder spezialisierte Tools, die diese Arbeit erleichtern.

Und welche Tools sind aktuell besonders vielversprechend für Unternehmen, die KI im Social-Media-Marketing nutzen wollen?

Für Social Media eignen sich besonders LLMs (Large Language Models) wie ChatGPT, Gemini oder Claude. Wie ihr Name schon verrät, sind sie große Sprachmodelle, die besonders gut Inhalte generieren können. Ihr Nachteil ist allerdings, dass sie bei wiederkehrenden Aufgaben – wie der Erstellung und Bearbeitung von Social-Media-Inhalten – oft umständlich sind.

Genau für diesen Zweck haben wir die Plattform beonbrand.ai entwickelt. Sie kombiniert die Stärken von LLMs – in unserem Fall ChatGPT – mit den Vorteilen einer klassischen Textverarbeitung. Zudem müssen Nutzer:innen keine Prompt-Profis sein, um hochwertige, markenspezifische Inhalte zu generieren. In einem speziellen Bereich für Brand Tonalität kann man definieren, wie die Marke kommunizieren soll: Eher nahbar oder professionell? Welche Begriffe sollen genutzt, welche vermieden werden? Diese Vorgaben lassen sich dann in verschiedenen Templates aktivieren, etwa bei der Erstellung eines LinkedIn-Posts.

Wie verändert KI das Community-Management und die Interaktion mit Nutzer:innen?

Fest steht: KI wird die Art und Weise, wie wir mit Marken und Persönlichkeiten interagieren, nachhaltig verändern. Ein Beispiel sind KI-gestützte Chatbots, die mit den Daten und dem Stil von Prominenten, Influencer:innen oder Marken trainiert sind. Plattformen wie Instagram und Snapchat experimentieren bereits mit virtuellen Avataren, die rund um die Uhr mit Follower:innen interagieren und in Echtzeit authentische Antworten geben.

Welche Entwicklungen erwarten Sie für die nächsten Jahre? Wohin steuert Social Media mit zunehmendem KI-Einsatz?

Es gibt verschiedene Theorien, aber ich halte eine Entwicklung hin zur Hyperpersonalisierung für am wahrscheinlichsten.

Plattformen wie Instagram oder TikTok könnten künftig Inhalte in Echtzeit generieren, die genau auf meine Interessen und aktuelle Stimmung abgestimmt sind. Bilder, Videos oder Stories könnten KI-generiert und perfekt an meine Vorlieben angepasst sein – mit dem Ziel, mich möglichst lange in der App zu halten. Sollte es Instagram & Co. künftig gelingen, mithilfe von KI selbst in Echtzeit und in großer Menge ansprechende Inhalte zu generieren, die Nutzer:innen in der App halten, könnten Influencer und andere Content-Creator für die Plattformen zunehmend entbehrlich werden.

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