In vielen Branchen geht es nicht mehr um die Frage, ob Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt, sondern wie – und in welchem Tempo. Während einige Unternehmen noch zögern, haben andere bereits erste Projekte umgesetzt. Mit messbarem Erfolg! Gerade in unserer industriell geprägten Region Baden-Württemberg, in der Innovation und Know-how traditionell zum Erfolgsmodell gehört, ist der Einsatz von KI zukünftig der entscheidende Wettbewerbsvorteil. Kilian Brauchle, Berater für Social-Media, Digitalisierung und Data Analytics, erklärt warum.
Viele Mitarbeitende nutzen KI längst – sieben von zehn Mitarbeiterinnen sogar ohne Freigabe durch ihren Arbeitgeber. Genau hier liegt auch ein Risiko: Schatten-Workflows entstehen, rechtliche Grauzonen öffnen sich. Besonders heikel ist das dort, wo mit sensiblen Daten und geistigem Eigentum gearbeitet wird – etwa in der Konstruktion, Produktentwicklung oder im Kundenkontakt. Wer vertrauliche Informationen in öffentlich zugängliche Systeme wie ChatGPT lädt, riskiert weit mehr als einen Datenverstoß: Er gefährdet die wirtschaftliche Souveränität seines Unternehmens.
“KI muss Chefsache werden”
Studien zeigen, dass generative KI in Bereichen wie Sprachverständnis, logischem Denken und Problemlösung schon bis 2030 das menschliche Niveau erreichen wird – also deutlich früher als lange prognostiziert. Für viele Unternehmen bedeutet dies die nächste große Herausforderung – während sie sich noch mitten im Prozess der Digitalisierung befinden. Die Digitalisierung wurde vielerorts als Modernisierungstreiber gepriesen, scheiterte jedoch häufig, weil Mitarbeitende den konkreten Nutzen nicht erkennen konnten oder an Gewohnheiten festhielten, denn Digitalisierung fand vor allem in unterstützenden und nicht in den zentralen Prozessen statt.
Wer Digitalisierung und letzten Endes KI ernst meint, muss sie zur „Chefsache“ machen. Denn KI ist weit mehr als Digitalisierung – es geht um einen tiefgreifenden Strukturwandel. Was technologisch möglich ist, wird gesellschaftlich spürbar: Die Rolle qualifizierter Fachkräfte steht plötzlich zur Disposition. Denn der Wandel trifft nicht nur einfache Routinetätigkeiten – zunehmend stehen besonders anspruchsvolle Fachberufe im Fokus. In Deutschland betrifft das vor allem akademische Berufe oder Tätigkeiten mit einem breiten Einsatzspektrum. Ob Kaufleute, Jurist:innen, Lehrkräfte oder Ingenieur:innen– alle erleben eine nie gekannte Steigerung des Automatisierungspotenzials. Die Mitte der Belegschaft gerät unter Druck: gut ausgebildet, teuer, lange unverzichtbar – jetzt plötzlich ersetzbar? Diese Perspektive birgt Sprengkraft. Wer den Wandel nicht als Befähigung, sondern als Bedrohung vermittelt, wird auf kulturelle Hürden treffen.

Chancen erkennen, KI nutzen
Künstliche Intelligenz eröffnet Unternehmen enorme Chancen: Trotz seiner Innovationskraft und dem industriellen Know-how wird Deutschland durch Bürokratie, langsame Innovationsprozesse, Fachkräftemangel und der erheblichen Kostenstruktur gebremst. Wohlstandsbringende Produkte und Innovationen wurden und werden durch den globalen Wettbewerb zerrieben oder sehenden Auges ins Ausland verlagert. So werden Unternehmen, die rechtzeitig investieren, schnelle Amortisationseffekte aber vor allem ein nie gekanntes Wachstum erzielen können.
Gerade die weit über das „Ländle“ verstreute Industrie mit ihren geografischen und demografischen Herausforderungen kann enorm von KI profitieren – von der (teil)automatisierten Konstruktion bis hin zur Qualitätssicherung. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass viele Betriebe noch mit Alt-IT und fehlenden Schnittstellen kämpfen. Der Aufbau KI-fähiger Infrastruktur braucht Zeit, Investitionen und Know-how – und ist kein Selbstläufer.
Wer glaubt, sich vor der Zukunft verstecken zu können, wird bald von ihr überrollt.
Kilian Brauchle
Denn keine Firma wird schließen, weil es KI gibt – aber es werden viele Firmen verschwinden, weil eine andere das Gleiche macht, nur mit KI. Ob Mensch oder Organisation: Wer sich nicht bewegt, wird verlieren, während sich „die Wirtschaft“ neu erfindet. Wichtig bleibt dabei: Der wahre Wettbewerbsvorteil liegt nicht allein in der Technologie, sondern in der Bereitschaft zur ganzheitlichen Veränderung – unter Berücksichtigung kultureller, rechtlicher und wirtschaftlicher Realitäten.
Von Tools zu Transformation: Produktintegrierte KI als wahrer Gamechanger
Bereits 2012 zeigte eine McKinsey-Studie, dass Beschäftigte im Schnitt 19 % ihrer Zeit mit Suchen und Recherchieren verbringen. Diese Tätigkeiten sind prädestiniert für einen Einstieg in KI-gestützte Systeme – vorausgesetzt, Unternehmen denken über Tool-Nutzung hinaus. Denn der wahre Wert von KI entsteht nicht durch punktuelle Anwendung, sondern durch Integration in die Organisationen, ihrer Kernprozesse und ihre Produkte. Die KI einer Firma muss aus der Firma heraus trainiert und entwickelt werden. Gleichzeitig braucht es flankierende Maßnahmen: Weiterbildung, Change-Management, Governance-Strukturen. Andernfalls wird aus dem Einstieg kein Aufstieg – und die Organisation bleibt im Werkzeugmodus stecken. Wenn Unternehmen beginnen, digitale Zwillinge Ihrer Produkte, Prozesse und Entscheidungen zu trainieren, entsteht nachhaltige Wertschöpfung, die skalierbar und zukunftsweisend ist.
Unternehmen, die heute nicht handeln, werden nicht scheitern, weil sie keine KI einsetzen – sondern weil andere es tun und dabei schneller, besser und günstiger werden. KI ist kein Projekt – sie ist der neue Takt der Wirtschaft.

Über den Autor
Kilian Brauchle hat Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaft an der Sciences Po Paris sowie Informatik an der LSE und dem MIT studiert. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit der Anwendung und Entwicklung von KI-Technologien. Seine Schwerpunkte liegen in der strategischen Nutzung generativer KI und der Entwicklung praxisnaher KI-Systeme für Organisationen. In Vorträgen, Workshops und Fachbeiträgen – unter anderem für die IHK – vermittelt er komplexe Inhalte verständlich und zeigt, wie Unternehmen KI gewinnbringend einsetzen können.