KI ist allgegenwärtig in der Diskussion, wird aber selten wirklich verstanden. Schlagzeilen über revolutionäre Technologien und disruptive Geschäftsmodelle schaffen ein Gemengelage aus Begeisterung und Unsicherheit. Doch um als Unternehmen oder Institution fundierte Entscheidungen treffen zu können, braucht es kein vages Zukunftsgefühl, sondern konkrete, handlungsleitende Einblicke.
Künstliche Intelligenz: Ein paradoxes Phänomen
Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Phänomen voller Ambivalenzen: Sie wird wahlweise als vorübergehender Hype abgetan, als revolutionäres wirtschaftliches Paradigma gepriesen oder in ihrem Einfluss unterschätzt – ist jedoch stets begleitet von einem nicht unerheblichen Maß an Unklarheit. Diese Ambivalenz ist kein Zufall, sondern das Resultat tiefgreifender geopolitischer Verschiebungen, eines weiterhin rasanten technologischen Fortschritts und eines regulatorischen Rahmens, der noch im Werden begriffen ist. Dabei ist gewiss: Die Transformation, die KI auch im Fahrwasser einer andauernden Digitalisierung großer Teile unseres Arbeitslebens auslöste, führt auch heute schon zu tiefgreifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen. Denn KI meint gleichermaßen die Möglichkeit als auch die Notwendigkeit, Produktivität und Innovation in nahezu allen Branchen zu steigern – ein Trend, der sich, wie wir bei der KI-Allianz in unserer täglichen Arbeit erfahren, gerade auch für den Mittelstand fortsetzt.
Während Unternehmen und Gesellschaften das Potenzial von KI zur Schaffung neuer Produkte, Dienstleistungen und Erlebnisse diskutieren und zunehmend für sich zu nutzen wissen, werfen die langfristigen Auswirkungen drängende Fragen auf. Welche Antworten kann KI auf die kritischsten Herausforderungen unserer Zeit liefern? Wie lassen sich technologischer Fortschritt und ethische Verantwortung in ein sinnvolles Gleichgewicht bringen? Und vor allem: wie entstehen „echte“ und langfristige Mehrwerte durch und mit KI im laufenden Betrieb?
Es geht nun darum, ihr Potenzial strategisch zu nutzen, um eine Zukunft zu gestalten, die möglichst vielen zugutekommt. Die Weichenstellungen von heute – sei es in Form von kleinen oder großen Investitionen, übergeordneten Regulierungen oder einzelnen unternehmerischen Entscheidungen vor Ort – werden die Entwicklung unserer Gesellschaft, Industrien und Lebensrealitäten über Jahrzehnte prägen.
Genau an diesem Punkt setzt diese Artikelserie an. Unser Ziel ist es, Anknüpfungspunkte zu schaffen und einen fundierten Dialog über die strategische Nutzung von KI zu eröffnen. Die Auseinandersetzung mit dieser Technologie ist keine optionale Beschäftigung für Technikaffine, sondern eine unternehmerische und gesellschaftliche Notwendigkeit. Sie verlangt kluge, reflektierte und vorausschauende Entscheidungen. Dafür braucht es Einsicht, Mut, Partnerschaften, ein hohes Maß an Ambiguitätstoleranz – und vor allem Wissen.
Dieser erste Artikel der monatlichen Reihe „KI-Insights“ legt das Fundament mit der Frage:
Was meinen wir, wenn wir von „Künstlicher Intelligenz“ sprechen?

Neue Beitragsserie der KI-Allianz
Die rasante Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) fordert uns alle heraus – insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) sowie kommunalen Institutionen.
In dieser Artikelserie möchten wir essenzielle Fragen zur Künstlichen Intelligenz beleuchten und diskutieren – von der Bedeutung einzelner Fachbegriffe, über ethisch-moralische Fragestellungen oder der Interaktion zwischen Mensch und Maschine, bis hin zur Einordnung globaler Entwicklungen auf der regionalen Ebene und der Bewältigung regulatorischer Herausforderungen – immer mit einem klaren Fokus auf die Anwendungsfelder in Wirtschaft und Gesellschaft.
Zum Autor: Dr. Jan Zipp ist bei der KI-Allianz für die Bereiche KI-Strategie & Innovation sowie das Community Management in Tübingen verantwortlich. Er ist seit über zehn Jahren im KI- und Deeptech-Bereich im In-und Ausland tätig. Seine Schwerpunkte und Veröffentlichungen liegen im Bereich der institutionellen und künstlichen (computational) Kreativitätsforschung, der Mensch-Maschine-Interaktion sowie der Auswirkungen von KI auf die Zukunft der menschlichen Arbeit.
Warum eine Definition allein nicht weiterhilft
Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ ist zunächst eine Hülle, die mit einer Vielzahl unterschiedlichster Bedeutungen gefüllt werden kann. So versteht zwar vermutlich nahezu jede Person den Begriff, deutet ihn aber sehr individuell. Gleichzeitig ist uns nicht immer bewusst, ob unser Gegenüber unserer Deutung folgt oder ein gänzlich anderes, subjektives Verständnis von KI nutzt. KI als Begriff ist dadurch vielschichtig, selten eindeutig geklärt und oft missverständlich verwendet.
Daher ist es wichtig, zunächst zwischen KI als wissenschaftlichem Konzept und KI als technologischer Anwendung zu unterscheiden:
- Künstliche Intelligenz (KI) im allgemeinen Sinne beschreibt das wissenschaftliche Forschungsfeld, das sich mit der Entwicklung intelligenter Systeme befasst.
- KI-Systeme hingegen sind spezifische technische Anwendungen, die kognitive Fähigkeiten wie Mustererkennung, Vorhersage oder Sprachverarbeitung simulieren und automatisieren. Die OECD, die ihre Definition laufend den aktuellen Gegebenheiten anpasst und auch deshalb aus der Vielzahl an Angeboten hier erwähnt wird, definiert KI-Systeme als maschinenbasierte Systeme, die ihre Umgebung durch Datenerfassung wahrnehmen, diese interpretieren und aus ihnen lernen, um sich flexibel an neue Bedingungen anzupassen und bestimmte Ziele zu erreichen (OECD, 2024).
Innerhalb dieser Systeme gibt es eine besondere Klasse: KI-Agenten. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur Informationen verarbeiten, sondern autonom auf ihre Umgebung reagieren, Entscheidungen treffen und ihr Verhalten anpassen können. Intelligente Assistenzsysteme, adaptive Empfehlungssysteme oder autonome Fahrzeuge sind Beispiele für KI-Agenten, die über reine Mustererkennung hinausgehen und eigenständig handeln.
Eine Differenzierung der Begriffe wird in der Praxis häufig übergangen – meist ist mit „KI“ tatsächlich ein KI-System oder ein KI-Agent gemeint. Implizit behandelt die Frage „was ist eigentlich KI?“ also nicht nur, was KI ist, sondern wie sie sinnvoll eingesetzt werden kann.
Nichtsdestotrotz ist die Frage, ob eine Technologie tatsächlich als „Künstliche Intelligenz“ zu bezeichnen ist oder ob es sich vielmehr um klassische Algorithmen oder maschinelles Lernen handelt, weit mehr als eine akademische Spitzfindigkeit. Diese Auseinandersetzung bildet das theoretische Fundament für unser Verständnis von (künstlicher wie auch menschlicher) Intelligenz und Automatisierung – und hat damit auch weitreichende praktische Implikationen. Sie zwingt uns, unser eigenes Verhältnis zur Technik zu hinterfragen, hält unserem menschlichen Handeln den Spiegel vor und hilft, die Grenzen und Möglichkeiten die Rolle algorithmischer Systeme in Wirtschaft und Gesellschaft kritisch zu reflektieren. Wie also lässt sich KI klarer umreißen?
KI ist nicht gleich KI
In populären medialen Darstellungen wird KI häufig als eine Maschine skizziert, die über ein menschenähnliches Weltverständnis und ebensolche kognitive Fähigkeiten verfügt – nicht nur spezifische Aufgaben löst, sondern womöglich sogar ein eigenes Bewusstsein entwickeln könnte. Aber: Ein solches System existiert bislang lediglich als theoretisches Konzept und wird (stark vereinfacht) als „Starke KI“ (Strong AI) bezeichnet. Ihr gegenüber steht die „Schwache KI“ (Weak AI) – spezialisierte Systeme, die für klar umrissene Aufgaben entwickelt wurden, etwa Bilderkennung, Sprachverarbeitung oder maschinelle Übersetzung. Sie sind oft hochleistungsfähig, bleiben aber strikt auf ihren jeweiligen Funktionsbereich begrenzt.
Diese Unterscheidung zwischen starker und schwacher KI dient als erste Orientierung, greift jedoch zu kurz, um den aktuellen Stand der Technologie präzise zu beschreiben. Moderne KI-Systeme bewegen sich vielmehr in einem Spektrum zwischen diesen Kategorien. Die Forschung differenziert zunehmend feiner, um den tatsächlichen Entwicklungsstand von KI besser abzubilden:
- Schmale KI (Narrow AI): Systeme, die spezifische Aufgaben mit hoher Effizienz lösen – etwa in der Bilderkennung, in Chatbots oder Empfehlungssystemen. Diese Form dominiert derzeit den Markt und bildet die Grundlage fast aller praktischen Anwendungen.
- Breite KI (Broad AI): Systeme, die Wissen aus mehreren Domänen verarbeiten können, ohne jedoch über eine echte, generalisierende Intelligenz zu verfügen. Beispiele sind multimodale Modelle wie GPT-4 oder DeepMind Gemini, die Sprache, Bilder und logische Problemstellungen kombinieren.
- Allgemeine Künstliche Intelligenz (AGI, Artificial General Intelligence): Ein hypothetisches Konzept für eine KI, die flexibel über verschiedene Domänen hinweg lernen und sich an neue Kontexte anpassen kann – ähnlich der menschlichen Intelligenz.
- Superintelligente KI (ASI, Artificial Superintelligence): Eine bislang rein theoretische Stufe, die eine Intelligenz beschreibt, die der menschlichen in allen Belangen überlegen wäre und sehr wahrscheinlich – allen technologischen Quantensprüngen zum Trotz – Zukunftsmusik bleiben wird (manche sagen sogar: bleiben muss! Und zwar sowohl aus logischer, als auch ethischer Sicht).
Diese Einteilung zeigt: KI ist kein monolithisches Konzept, sondern ein technologisches Kontinuum, das sich mit zunehmender Forschung weiter ausdifferenziert. Während sich die öffentliche Diskussion oft an visionären Zukunftsszenarien orientiert, liegt der tatsächliche Fortschritt bislang weitgehend im Bereich schmaler (narrow) und zunehmend breiterer (broad) KI-Modelle.
Auch diese Klassifikation ist jedoch nicht abschließend. Die rasante Entwicklung der KI-Technologien erfordert eine kontinuierliche Anpassung definitorischer Ansätze, da neue Paradigmen entstehen, die sich nicht nahtlos in bestehende Kategorien einfügen. Ein Beispiel hierfür ist das oft diskutierte Unüberwachte Lernen (Unsupervised Learning), das sich zwischen schmaler und breiter KI verorten lässt. Es beschreibt Algorithmen, die eigenständig Muster in Daten erkennen – ohne explizite Regeln oder vordefinierte Labels. Diese Fähigkeit zur autonomen Mustererkennung und Wissensextraktion verschiebt die Grenzen dessen, was KI-Systeme leisten können, bleibt jedoch weiterhin auf spezialisierte Anwendungsfelder beschränkt.
Bereits diese kurze Darstellung einiger zentraler Konzepte zeigt: Es gibt nicht „die eine“ KI, sondern eine Vielzahl spezialisierter Technologien mit unterschiedlichen Autonomiegraden und Anwendungsbereichen. Während einige KI-Systeme als Werkzeuge zur Datenanalyse und Automatisierung dienen, übernehmen KI-Agenten zunehmend adaptive und interaktive Aufgaben. Die Herausforderung besteht darin, die richtige Lösung für den jeweiligen Kontext zu finden und ihr Potenzial gezielt zu erschließen – trotz oder gerade aller Unklarheit, die künstliche Intelligenz auch in Zukunft mit sich bringen wird.
Sich die Frage zu stellen, was in jedem konkreten Fall überhaupt gemeint ist, wenn von KI die Rede ist, scheint hierbei ein sinnvoller, erster Schritt. Welche weiteren es aus unserer Sicht zu gehen gilt und wie der Weg gelingen kann, werden wir in weiteren Beiträgen diskutieren. Wir freuen uns auf den Austausch hierzu – ob digital oder im direkten Gespräch vor Ort!
Wie die KI-Allianz unterstützen kann
Wir als KI-Allianz Baden-Württemberg sehen uns als Türöffner für Lösungsmöglichkeiten und Begleiter auf dem Weg zur schlauen Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Mit unserem Netzwerk und umfangreichen Wissen stehen wir Interessent:innen als Wegbereiter zur Seite, hören zu, gehen mit ihnen in die Diskussion und eröffnen neue Blickwinkel.
Die KI-Allianz Baden-Württemberg versteht sich als Türöffner für KI-Lösungen und als Begleiter auf dem Weg zur intelligenten Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Unser Netzwerk vereint Expertise und Wissen, um Unternehmen und Institutionen zu unterstützen. Von Prozessoptimierungen bis hin zu neuen Geschäftsmodellen zeigen wir Optionen auf und eröffnen neue Perspektiven – mit oder ohne KI.
Sie wollen mehr über Künstliche Intelligenz und die KI-Allianz Baden-Württemberg erfahren
Dann abonnieren Sie am besten unseren Newsletter!